Aus dem Sanella-Album Australien Neuseeland

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Känguruhfamilie

30 oder 40 Tiere in einer Herde sind keine Seltenheit. Eine solche Herde wird von einem "Old Man", einem alten Männchen, angeführt, dem die anderen Tiere blindlings folgen. Knapp 15 Meilen vor Green Gate machen wir unsere letzte Mittagsrast. Ich will mir meine vom Reiten steifgewordenen Beine vertreten und gehe auf eine Felsgruppe zu, um mir von dort oben die Gegend ein wenig anzuschauen. Plötzlich höre ich ein dumpfes Klopfen. Ich kenne dieses Geräusch. Es entsteht, wenn ein Känguruh mit den Hinterläufen den Boden trommelt. Vorsichtig klettere ich zwischen den Steinbrocken nach oben. Und auf einmal sehe ich eine Herde von etwa 20 Känguruhs nur ein Dutzend Schritte vor mir. Es ist warm und vollkommen windgeschützt hier. Zwei große ausgewachsene Känguruhs balgen sich - mit ihren kurzen Vorderpfoten geben sie sich richtige Boxstöße. Andere liegen im Sand lang ausgestreckt und heben nur mal ab und zu den Kopf, um im Liegen ein wenig Gras zu rupfen oder den beiden Schwergewichtlern zuzusehen. Ein winziges, erst einige Monate altes Känguruhbaby hat sich selbständig gemacht und ist aus dem Beutel seiner Mutter gekrochen.

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Es hüpft herum und knabbert an den Grasspitzen, bis sich Mutter schließlich würdevoll erhebt, den Ausreißer mit den Vorderpfoten ergreift und in den Beutel zurücksteckt. Aber - schwupp! - hat es den Kopf und die eine Pfote wieder draußen und äugt neugierig umher. In der Bauchfalte des Muttertieres befindet sich das Euter. Sobald ein Känguruh ein Junges geworfen hat, ergreift es vorsichtig das Baby und steckt es in den Beutel. Hier wird es ernährt, und hier bleibt es für etwa acht Monate. Gegen Ende dieser Zeit verläßt es schon mal den Beutel, kehrt aber sehr schnell dahin zurück, sobald es erschrickt oder Hunger spürt. Ein Geräusch! Der "Old Man", der ruhig im Hintergrund geäst hatte, hebt den Kopf. Es ist zum= auf=die=Bäume=Klettern! Ausgerechnet jetzt muß Bill jodeln! Und da ist es auch schon passiert - in großen Sprüngen jagt die ganze Herde davon! Dabei schnellen sich die Tiere mit den Hinterläufen vom Boden ab, der kräftige Schwanz dient dabei als Steuer. In wenigen Sekunden ist die ganze Gesellschaft verschwunden!

Känguruhjagd mit dem. Auto

Auf dem Weiterritt erzählt Bill von Känguruhjagden. Es ist ein beliebter Sport, Känguruhs vom Auto aus zu jagen. "Stell dir das aber nicht so einfach vor, denn es kommt darauf an, das Tier lebend zu fangen. Man kann das natürlich nur in Gebieten machen, die eben und ohne größere Hindernisse für das Auto sind. Vor ein paar Monaten, in der Nähe von Halls Creek, habe ich so eine Jagd mitgemacht. Das war eine tolle Sache!" Bill macht eine Pause und stopft sich umständlich die Pfeife. Immer, wenn er eine aufregende Geschichte erzählt, geht ihm die Pfeife aus. Und bevor sie nicht wieder brennt, redet er nicht weiter.

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"Am besten geht es, wenn man mit mehreren Autos jagt. Dann kann das Känguruh nicht so leicht zur Seite ausbrechen und auf unbefahrbares Gelände entkommen. Hat man aus einer Herde ein bestimmtes Tier ausgewählt, dann rast man mit dem Wagen hinterher. Man muß wirklich rasen, denn die Känguruhs sind sehr schnell. Auf der Flucht machen die größeren Tiere Sprünge von 8 bis 10 Meter Weite und 2 bis 3 Meter Höhe. Dabei haben sie den Vorteil, über Büsche und Geröll hinweghüpfen zu können, während wir den Wagen drum herumsteuern müssen. So eine Jagd kann 10 und 20 Kilometer weit gehen, bis man das Känguruh hat oder - bis es in einem Buschstreifen entkommt." "Ja, aber wie fängt man es denn? Hattet ihr Netze oder Leinen bei euch? Man kann doch schließlich ein Känguruh nicht mit der Hand greifen", unterbreche ich Bill neugierig. "Doch man kann", antwortet Bill und schnalzt mit der Zunge, denn Robby, sein Schimmel, ist in Schritt gefallen. "Du mußt versuchen, mit dem Wagen neben das Tier zu kommen und es während eines Sprunges an dem langen, dicken Schwanz zu packen.

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